Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 10.10.2002  

Dieser Band mit mehreren frühen Aufsätzen liefert Rezensent Ferdinand Zehentreiter zufolge "mosaikartig Elias' geistige Biografie bis zur Schwelle seiner großen Zivilisationstheorie". Außerdem seien fast alle Beiträge mit zentralen Stationen seines Lebens verwoben: zwei Beiträge vom Zürcher Soziologentag 1928, in denen das "Ineinander von übergreifender historischer Bewegung der menschlichen Gesellschaft und individuellem Entscheidungsspielraum" zum ersten Mal thematisiert wird, ein kurzer Reisebericht des 17-Jährigen von 1914, der zuerst in den "Mitteilungen des Jüdischen Wanderbundes Blau-Weiß" erschien oder der Aufsatz "Die Vertreibung der Hugenotten aus Frankreich", die Elias 1935 schon in der von Klaus Mann herausgegebenen Emigrantenzeitschrift "Der Ausweg" publiziert habe. Doch dieser als Band 1 der Amsterdamer "Norbert Elias Stichting" herausgegebenen "Gesammelten Schriften" dokumentiert für den Rezensenten auch auf "eindrucksvolle Weise" einen biografischen Zugang zur Soziologie in Zeiten, als "sie sich noch nicht auf eine standardisierte Branche reduziert" hatte.

Frankfurter Rundschau vom 03.08.2002  

Zum Soziologen Norbert Elias kamen Ruhm und Ehre spät im Leben, nun aber ist er, nicht so lange nach seinem Tod, reif für die Klassiker-Gesamtausgabe bei Suhrkamp. Im ersten Band, der die Frühschriften versammelt, lernt man ihn vor allem, so der Rezensent Rüdiger Zill, von der Seite seiner philosophischen Herkunft kennen. Die Dissertation von 1922 zeigt Elias noch verstrickt in den Jargon der neukantianischen Schule, sichtbar werde immerhin die später ins Zentrum seines Denkens rückende Beschäftigung mit der "Geschichtlichkeit der menschlichen Subjektivität". In den späten zwanziger, dann in den dreißiger Jahren wird der "originäre Ansatz", stellt Zill fest, immer deutlicher - zudem sei etwa der Aufsatz "Zur Soziologie des deutschen Antisemitismus" aus dem Jahr 1929 von großem politischem Interesse.

Süddeutsche Zeitung vom 18.05.2002  

Schon in seiner Dissertation aus dem Jahre 1922, die unter dem Titel "Idee und Individuum" in Breslau erschien, war Elias späteres Denken vorgezeichnet, erklärt Rezensent Fritz Göttler. Wie Göttler ausführt, entzaubert Elias darin mit seiner Kritik am Allgemeinen eine der Grundfesten der Aufklärung. Ironischerweise reichte Elias seine Dissertation bei dem eingefleischten Kantianer Richard Hönigswald ein, der sogleich einige Kant kritische Seiten herausriss, berichtet Göttler. Nichtsdestoweniger kann man die Arbeit nach Ansicht des Rezensenten noch immer mit Vergnügen lesen, handelt es sich doch um ein leidenschaftliches Stück Wissenschaft. Laut Göttler entwickelt Elias hier seine dialektische Geschichtsbetrachtung und lässt keinen Zweifel daran, dass er mit der Philosophie "nichts am Hut hat", denn Geschichte habe für ihn mit Erfahren und Erleben zu tun. Wichtiger als seine Dissertation, dem Herzstück der Frühschriften, sind für den Rezensenten die Nebenstücke, in denen sich Elias verschiedensten Phänomenen widmet. Wie Benjamin versucht er sich zum Beispiel über den Kitsch, daneben übt er sich in verschiedensten Genres, zum Beispiel Naturbetrachtungen und Anekdoten in der Tradition des Plutarch. Elias ging es nie um die Sachen an sich, noch um die Ideen, sondern um das Verhältnis von Dingen und Menschen, fasst der Rezensent zusammen.

Quelle: www.perlentaucher.de